«Ich will forschen!»

Forschen ist ein Traumjob, vor allem in dieser schnelllebigen Zeit. Sich in ein Thema vertiefen, sich richtig darauf einlassen, Phänomenen auf den Grund gehen. Stunden, Tage mit Denken verbringen, schreiben, dann wieder denken. Mitten in der Nacht aufwachen, Gedankenfetzen notieren, Zusammenhänge erkennen, sich hin und her wälzen, und dann doch lieber aufstehen und Daten analysieren, weil ich zum Schlafen viel zu aufgeregt bin.

Diese Intensität hat Forschen nur, wenn das Thema wirklich meins ist. Wie jetzt, mit Rheinau. Ich fühle es bis ins Blut: Es ist ein Moment, in dem Geschichte entsteht. Ein Vorbote, ein vorauseilender Schatten wichtiger Entwicklungen. Etwas worauf man in Geschichtsbüchern zurückblicken wird. Wir sind an der Schwelle zu einer neuen Ära, unsere Gesellschaften, die Systeme, in welche unsere Leben eingebettet sind, sind daran sich zu verändern. Sie verändern sich stetig, doch manchmal gibt es einen Quantensprung, und so einer könnte bald kommen – denke ich aufgrund von Entwicklungen auf der ganzen Welt –beweisen kann ich es nicht.

Was ich kann: Versuchen zu erfassen, wie sozialer Wandel entsteht, wie sich gesellschaftliche Strukturen nachhaltig verändern. Und Veränderungen sehe ich schon jetzt: Das Wort Grundeinkommen, dass noch vor einem halben Jahr den meisten RheinauerInnen unbekannt war, ist jetzt in aller Munde. Es wird über Partei- und Altersgrenzen hinaus darüber debattiert, ob, wie und warum es Sinn macht, 2500 Franken pro Monat zu bekommen, einfach so.

Es wird darüber diskutiert, ob Alimente ein Einkommen sind, darüber, welche Familienstrukturen normal sind, wer vom System benachteiligt wird und ob dieses System überhaupt Sinn macht. Genau hier fängt Wandel an. Und wenn an der Gemeindeversammlung eine Frau mutig die Hand hebt und sagt, dass sie und ihr Sohn – der IV-Bezüger ist – von 1500 Franken pro Monat leben, wenn sowas zum Thema wird, dann spüre ich einfach nur noch Demut und bekomme Gänsehaut.

Autor

Aleksandra Gnach


Teile diese Seite

Kommentare

Gody Pomeranz


Es ist traurig, das es in der reichen Schweiz Menschen gibt, die unter dem Existenzminimum leben mässen.
Wenn wir deren Lebenssituation nur leicht verbessern können ist fast schon der 2. Schritt getan.